Soc. Geogr., 2, 85-96, 2007
www.soc-geogr.net/2/85/2007/
doi:10.5194/sg-2-85-2007
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12 Sep 2007
Raumbezogene Vorstellungsbilder am Beispiel Leipziger Wohnquartiere – ein Annäherungsversuch auf der Grundlage einer visuellen Methodik
K. Wiest
Leibniz-Institut für Länderkunde e.V., Schongauerstr. 9, 04329 Leipzig, Germany

Abstract. Das Interesse an sozialen Repräsentationen und kulturellen Deutungen des Raumes in der Geographie und Stadtforschung hat auch einen neuen Blick auf Stadtentwicklungsprozesse hervorgebracht. So sind neben der Analyse physisch-materieller Strukturen Fragen nach der symbolischen Konstitution des Raumes, den Facetten des third space (Soja, 1996) in den Vordergrund gerückt. Damit zeigt sich eine stärkere Hinwendung zu kulturellen Aspekten im Sinn fortlaufender gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse, um sozialräumliche Strukturen und Verhältnisse zu erklären (u.a. Mills, 1993; Lees, 2004; Ley, 1996, Caulfield, 1989; Lang, 1998; Best, Gebhard, 2001). Residentielle Segregation und Gentrification können in diesem Zusammenhang sowohl als Folgen als auch Gegenstand sozialer Verräumlichungen thematisiert werden, das heißt im Sinn von gesellschaftlichen Bedeutungen und Kategorien, die Orten zugewiesen werden. Geht man von entsprechenden Perspektiven aus, dann findet sich in den Städten der neuen Bundesländer ein interessantes Terrain für die Erforschung der symbolischen Konstruktion von Orten und gesellschaftlichen Wertzuweisung an den Raum. Hier hat der Übergang in ein neues Gesellschaftssystem zu einer besonders raschen Neu- bzw. Umbewertungen räumlicher Strukturen geführt, die unmittelbar die Frage nach der Bedeutung von Verräumlichung als Medium sozialer und kultureller (Neu-)Ordnung und Strukturierung aufwerfen. In diesem Zusammenhang werden im Rahmen des folgenden Beitrags raumbezogene Vorstellungsbilder und symbolische Zuweisungen an Stadtgebiete als Bezugssysteme sozialer Orientierung thematisiert. Am Beispiel von citynahen Altbaugebieten in der Stadt Leipzig werden raumbezogene Bedeutungen und Wertvorstellungen im Alltag der Bewohner und im fachlichen Diskurs der Immobilienbranche als zwei unterschiedliche Aspekte der gesellschaftlichen Produktion des Raumes angesprochen:

- Ausgehend von Tiefeninterviews mit Bewohnern wird der Frage nachgegangen, welche gesellschaftlichen Werte (z.B. Freiheit, Sicherheit) und identitätsstiftenden Kategorien mit bestimmten Stadträumen verbunden werden. Als methodisches Hilfsmittel um sich raumbezogenen Vorstellungsinhalten anzunähern, wurden Bilder aus Werbekampagnen benutzt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Werbung gesellschaftlich relevante Strukturen, Sehnsüchte und Identitäten abbildet, die im alltäglichen Leben auch auf Räume projiziert werden.
- Auf der Grundlage von Informations- und Werbematerialen sowie Gesprächen mit Immobilienmaklern werden Repräsentationen des Raumes aufgedeckt, die innerhalb fachlicher Diskurse kommuniziert werden. Im Mittelpunkt steht hier die Frage, wie einzelne Wohngebiete durch die Immobilienbranche zum Zweck der Vermarktung präsentiert werden.

Damit stehen Visualisierungen als ein methodisches Instrument der empirischen Forschung im Vordergrund. Ziel war es, sich bildhaft mentalen Repräsentationen bzw. inneren Bildern über das Hilfskonstrukt visuell kommunikativer (Werbe-)Bilder anzunähern. Im Zusammenhang mit Fragen nach raumbezogenen Vorstellungen erscheint Bildmaterial als Bestandteil der empirischen Methodik geeignet, da es auf vorkommunikative Bereiche des Erlebens abhebt, und eine starke assoziative, emotionalisierende Wirkung aufweist. Dabei liegt die Besonderheit von Bildern im Unterschied zur Eindeutigkeit der Sprache in den vielen unterschiedlichen Deutungen, die sie in Abhängigkeit von sozialen und individuellen Interpretationskontexten erlangen können (Schelske, 2001, 152). Eine Annäherung an raumbezogene Vorstellungen im Sinn alltäglich erlebter Räume der Repräsentation (s. Tabelle 1) die nicht unmittelbar kommuniziert, sondern eher durch Bilder und Symbole vermittelt werden, scheint eher über visuell vermittelte Erzähl- und Bedeutungsstrukturen möglich, wie sie z.B. auch der Werbung zu Grunde liegen.

Um sozialräumliche Differenzierung zunächst durchgängig als soziales Phänomen zu konzeptionalisieren wird nachfolgend auf Lefebvres Theorie der Produktion des Raumes Bezug genommen, die die Kategorien „Stadt“ und „Raum“ systematisch in eine übergreifende Gesellschaftheorie integriert (Schmid, 2005, 9). Dabei geht es nicht um die Analyse eines Raumes auf der Grundlage gesellschaftstheoretisch fundierter Raumkonzepte, sondern darum aktive gesellschaftliche Produktionsprozesse, in ihrem zeitlichen Kontext, zu betrachten.


Citation: Wiest, K.: Raumbezogene Vorstellungsbilder am Beispiel Leipziger Wohnquartiere – ein Annäherungsversuch auf der Grundlage einer visuellen Methodik, Soc. Geogr., 2, 85-96, doi:10.5194/sg-2-85-2007, 2007.
 
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